16.01.2025. Zum Jahresauftakt der Nachrichten aus dem Lektorat gebe ich die Rückfrage eines Praktikanten wieder, der mir zurzeit über die Schulter schaut: „Statt lange an dem Lektorat zu sitzen hättest du es auch neu schreiben können, oder?“ „Ja, vermutlich“, habe ich geantwortet. „In der Zeit hätte ich einen neuen Text aufsetzen können.“ Das war mit dem Kunden jedoch nicht vereinbart. Und solch eine Vereinbarung – korrigieren, lektorieren oder texten – ist Bedingung für die Arbeit.
Im vorliegenden Fall hatte der Kunde ausdrücklich ein Lektorat gewünscht. Erfahrene Lektor:innen können beim Querlesen eines Textes entscheiden, ob er ein Lektorat verträgt, ob er ausreichend Material liefert und ob sich ein Schreibstil zeigt – in welcher Qualität auch immer –, der die Intention der Autorin oder des Autors transportiert. Lässt sich das bejahen, geht es an die Arbeit: Die noch wackelige Konstruktion wird vorsichtig, Wort für Wort auseinandergenommen und auf sichere Füße gestellt. Aufzählungen werden eingefügt, sperrige Aneinanderreihungen aufgelöst, falsche Bezüge geheilt, Allgemeinplätze durch greifbare Beispiele und treffende Wendungen und Begriffe ersetzt. Mit angemessenen Satzzeichen wird die Syntax zusammengezurrt, mit Überschriften und Absätzen das Gebilde in Form gebracht. Aus einem Entwurf ist eine aussagekräftige Mitteilung geworden, welche die Stimme der Autorin oder des Autors trägt.
Wie bei diesem Kunden läuft es im Lektorat nicht immer: Oft ist die Arbeit mehr ein Polieren auf einen prägnanten Stil hin und die Richtigstellung inhaltlicher und sprachlicher Fehler. Selten ist ein Text derart rudimentär und/oder widersinnig, dass er nicht zielführend lektoriert werden kann.
Haben Sie keine Scheu, mir Ihren Text vorzustellen. Ein Erstgutachten kann weiterhelfen: Wie reif ist mein Text? Soll lektoriert, korrigiert oder neu getextet werden?
Lektorat Oliver Krull