15.09.2023. Für Publikationsvorhaben in den Bereichen Fundraising, Medizin, Produktwerbung, Tourismus und Verkehr bin ich im Sommer nach meiner Einschätzung zur Anrede mit Du versus Sie gefragt worden, vielfach vor dem Hintergrund der Verunsicherung: „Sind wir noch zeitgemäß?“, „Verlieren wir Kund:innen, wenn wir auf Du umsteigen?“
Die Tendenz zum Du geht an kaum jemandem vorbei. Am Telefon wird man überraschenderweise von einem Call- oder Servicecenter geduzt, ebenso in einem kreativen Restaurant oder in einem hippen Laden. Diese Tendenz ist vor allem dort zu beobachten, wo eine Art Community im Hintergrund ist oder angenommen wird, wie unter Kreativen oder Künstler:innen, die in der Regel auch auf Englisch kommunizieren, ebenso in politisch aktiven Gruppierungen, bei Leuten mit gleichen Interessen, unter Sportler:innen und Kolleg:innen etc.
Besonders die Werbung greift den Community-Gedanken gern auf, um über das Du zu suggerieren, Teil einer favorisierten Community zu werden, wenn man dieses Produkt oder jene Dienstleistung erwirbt. Jedoch sind auch jüngere Menschen nicht a priori davon begeistert, „mit ins Boot genommen zu werden“.
Anders als im Englischen, das verschiedene Respektebenen nicht über die Personalpronomina schafft, wird mit dem deutschen Du eine Nähe gebildet, die zwar unter Freund:innen und Bekannten üblich ist, aber nicht per se auch für diejenigen, die sich zum ersten Mal begegnen.
Ich rate daher im Zweifel immer dazu, die Zielgruppe zu fragen, wie sie angesprochen werden möchte oder – wenn das möglich ist – anhand der Textthematik einzuschätzen, ob die Anrede mit Du hinreichend angemessen ist oder als Anbiederung verstanden werden könnte.
Lektorat Oliver Krull