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Du oder Sie

15.09.2023. Für Publikationsvorhaben in den Bereichen Fundraising, Medizin, Produktwerbung, Tourismus und Verkehr bin ich im Sommer nach meiner Einschätzung zur Anrede mit Du versus Sie gefragt worden, vielfach vor dem Hintergrund der Verunsicherung: „Sind wir noch zeitgemäß?“, „Verlieren wir Kund:innen, wenn wir auf Du umsteigen?“

Die Tendenz zum Du geht an kaum jemandem vorbei. Am Telefon wird man überraschenderweise von einem Call- oder Servicecenter geduzt, ebenso in einem kreativen Restaurant oder in einem hippen Laden. Diese Tendenz ist vor allem dort zu beobachten, wo eine Art Community im Hintergrund ist oder angenommen wird, wie unter Kreativen oder Künstler:innen, die in der Regel auch auf Englisch kommunizieren, ebenso in politisch aktiven Gruppierungen, bei Leuten mit gleichen Interessen, unter Sportler:innen und Kolleg:innen etc.

Besonders die Werbung greift den Community-Gedanken gern auf, um über das Du zu suggerieren, Teil einer favorisierten Community zu werden, wenn man dieses Produkt oder jene Dienstleistung erwirbt. Jedoch sind auch jüngere Menschen nicht a priori davon begeistert, „mit ins Boot genommen zu werden“.

Anders als im Englischen, das verschiedene Respektebenen nicht über die Personalpronomina schafft, wird mit dem deutschen Du eine Nähe gebildet, die zwar unter Freund:innen und Bekannten üblich ist, aber nicht per se auch für diejenigen, die sich zum ersten Mal begegnen.

Ich rate daher im Zweifel immer dazu, die Zielgruppe zu fragen, wie sie angesprochen werden möchte oder – wenn das möglich ist – anhand der Textthematik einzuschätzen, ob die Anrede mit Du hinreichend angemessen ist oder als Anbiederung verstanden werden könnte.

Lektorat Oliver Krull

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Sommer 2023

15.07.2023. In Berlin, Brandenburg und Hamburg sind seit vorgestern Schulferien, übermorgen folgen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, dann noch bis Ende Juli Rheinland-Pfalz, das Saarland, Baden-Württemberg und Bayern.

Ich wünsche allen erholsame Ferientage, anregende Entdeckungen und reizvolle Begegnungen!

Mein Büro bleibt in der Zeit vom 10. bis. 19. August für eine Verschnaufpause geschlossen. Den nächsten Fachbeitrag können Sie an dieser Stelle wieder am 15. September lesen.

Lektorat Oliver Krull

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Fugen-s (Teil II)

16. Juni 2023. Es gibt einige Indikatoren, bei denen man von der Verwendung des Fugen-s ausgehen kann. Zum einen sind es bestimmte Wörter, die sich am besten mit einem Fugen-s erweitern lassen, zum Beispiel Bahnhof (Bahnhofsbuchhandlung, Bahnhofsmission etc.), dagegen: Bahnsteig (Bahnsteigkante). Zum anderen verlangen in der Regel Nachsilben bei Wortneubildungen das Fugen-s, das sind ‑heit, ‑keit, ‑schaft, ‑tum, ‑ling, ‑ion u. a.: Einheitsbestreben, Nachhaltigkeitsfaktor, Wirtschaftsunternehmen, Eigentumsverhältnisse, Erstlingswerk, Kooperationspartner. Oder Infinitive werden als Erstglieder genutzt: lesenswert, Waschenszeit, Lebenserfahrung usw.

Lektorat Oliver Krull

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Fugen-s (Teil I)

15. Mai 2023. Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache bereitet unter anderem die Deklination, die Veränderung von Substantiven infolge verschiedener Fälle, zum Beispiel der Schaden im Nominativ, des Schadens im Genitiv, die Schäden im Nominativ Plural. Verwirrend ist obendrein, dass sich in Texten sowohl Schadenersatz als auch Schadensersatz findet. Ist eines falsch? – Nein, beide Formen haben ihre Berechtigungen. Dies erklärt sich so: Für die Bildung von Komposita bestehen eine Reihe von Bildungsregeln; abgesehen von diesen Regeln haben sich zudem Konventionen ausgebildet. In unserem Beispiel heißt es nach der Bildungsregel, dass substantivierte Infinitive (hier: das Schaden) als Erstglied ein Fugen-s erhalten, also Schadensersatz, wie auch Schlafenszeit. In deutschen Gesetzen steht sowohl Schadenersatz als auch Schadensersatz; in anderen Fällen haben Behörden das Fugen-s getilgt wie in Komposita mit -steuer: Einkommensteuer, Vermögensteuer etc. Auch hier sind die Formen mit Fugen-s möglich und üblich; mit oder ohne Fugen-s sollte innerhalb eines Textes / einer Publikation jedoch einheitlich verwendet werden.

Lektorat Oliver Krull

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Form und Funktion

14.04.2023. Eine Autorin vertiefte sich in ein Belegexemplar von mir, in die Objektbeschreibung des Sessels Lady von Marco Zanuso im „Atlas des Möbeldesigns“ und reflektierte die Behauptung, dieser Sessel sei ein Sinnbild für die Maxime des „form follows function“. Wir spekulierten über die Bequemlichkeit des Möbelstücks und rückten unsere Diskussion bald in die sicheren Gefilde unseres eigenen Handwerkzeugs, der Sprache.

Wir waren uns nach ein paar Allgemeinplätzen wie „nie aus optischen Gründen umformulieren“ einig, das Thema in den Raum zu stellen und Aussagen darüber zu sammeln, wie sehr ein geschriebener sprachlicher Inhalt von seiner Form in Schrift und hinsichtlich Präsentationsmedium beeinflusst wird bzw. welche Relation Aussagekraft und Form haben, zum Beispiel: Wie sehr kann die Form verändert werden, dass die Aussage noch Bestand hat?

Gern hören wir Ihre Meinungen dazu und wollen diese sammeln, später auswerten und präsentieren – wir freuen uns auf Ihre Zuschriften.

Lektorat Oliver Krull

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Start in den Frühling

16.03.2023. Meinen nächsten Fachbeitrag können Sie projektbedingt wieder am 14. April 2023 lesen. Bis auf die Feiertage bleibt mein Büro in der Kar- und Osterwoche geöffnet.

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen und hellen Frühlingsbeginn!

Lektorat Oliver Krull

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Neutralität von Lektor:innen

16.02.2023. Mehrfach wurde ich in den vergangenen Wochen gefragt, ob man als Lektor neutral bleiben kann, wenn man Texte bearbeiten muss, die nicht der eigenen politischen Haltung entsprechen. Generell haben die Vorgaben und Wünsche meiner Kund:innen Priorität, und meist können Tenor und Zielgruppe eines Textes vor Auftragserteilung sondiert werden. So werden im Vorfeld beispielsweise Empfehlungen für gendergerechte Sprache gegeben oder Kompromisse für Zweifelsfälle gefunden.

Da ich überwiegend Sachtexte lektoriere, bin ich eher als meine Kolleg:innen aus der Belletristik davor gefeit, später beim Lesen auf gewaltverherrlichende oder diskriminierende Passagen zu stoßen.
Anfragen zum Lektorat von Texten, in denen ein offensichtlicher oder verhohlener Bellizismus statt politischer Verhandlungen propagiert wird, werden von mir abschlägig beantwortet.

Lektorat Oliver Krull

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Neuer Standort

16.01.2023. Mein bisheriger Standort in Berlin-Marienfelde wird vor allem infolge der Bahnstrecke Berlin–Dresden großräumig umgebaut. Meinen neuen Standort werde ich am 1. Februar 2023 am Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Friedrichshain eröffnen. Der Umzug beginnt am 18. Januar, um auch meine Kundenbüros am Hermannplatz und in Charlottenburg anpassen zu können.

Außer der Postadresse bleiben alle Kontaktdaten (E-Mail, Telefon, Fax) unverändert. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich Ihre Anfragen am 18.01.2023 nur verzögert, aber spätestens am Folgetag beantworten werde.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen und/oder Wiederhören mit Ihnen in diesem Jahr. Auch alle Neukund:innen sind herzlich willkommen, sich für ein Projekt ein Bild anhand meiner zahlreichen Belegexemplare vor Ort zu machen.

Lektorat Oliver Krull

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Ins neue Jahr mit stabilen Preisen

19.12.2022. Die gute Auftragslage hat mich bewogen, gestiegene Kosten für Mietzins und Energie nicht weiterzugeben, sondern bis ins nächste Jahr stabil zu halten.

In den Medien ist „stabil“ abgelöst worden von „volatil“, und das Jahr 2022 war volatil. Sehr hoffe ich, dass die Veränderungen und Anforderungen nicht zu sehr an Ihnen gezerrt haben und Sie und Ihre Angehhörigen gesund und zuversichtlich in die Feiertage und in das neue Jahr gehen können!

Mein Büro bleibt zwischen den Jahren für Sie geöffnet. Die nächsten Nachrichten lesen Sie an dieser Stelle wieder ab dem 16. Januar 2023.

Lektorat Oliver Krull

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Grenzbereiche

16.11.2022. Vielen Dank an meine Leser:innen für das Feedback zu meinem Oktoberbeitrag Wirtschafts- und Werbelektorat. Ich freue mich, dass ich zum Verständnis der Arbeit von Lektor:innen und meines Anspruchs beitragen konnte.

Die Reaktionen zeigen zum einen, wie sehr noch von einem Lektor ausgegangen wird, der als Sprachhüter quasi ex cathedra über das geschriebene Wort urteilt. Die Flexibilität, die Lektor:innen im Umgang mit Sprachstilen, Intentionen der Autor:innen, dem Wording und der anvisierten Zielgruppe haben sollten, war vielen nicht bewusst. Zum anderen habe ich dazu beigetragen, die Werbesprache ein wenig aus der Schmuddelecke hervorzuholen und zu zeigen, dass in diesem Bereich mit viel Verve und analytisch-taktischem Denken daran gearbeitet wird, mit Worten größtmögliche Wirkung und Reichweite zu erzielen.

Gefragt wurde ich, wo meine Grenzen im Einsatz für Werbung liegen. Abgesehen davon, dass der Umfang meines Lektorats für reine Werbetexte nur zwischen zehn und zwanzig Prozent liegt, würde ich jedwede Schriften ablehnen, die undemokratische, diskriminierende oder bellizistische Ziele verfolgen. Jedoch darf es auch einmal provokant sein. Ich erinnere mich an eine Diskussion im Rahmen meiner Arbeit für das Buch „Stellenwert“ über die Geschichte des Plakats in der Schweiz. Dazu trug ich eine Fotografie bei, die ich 2012 auf einem Berliner U-Bahnhof aufgenommen hatte. An der Wand hinter den Gleisen hing das Plakat eines Bestattungsunternehmens, in großen schwarzen Lettern stand darauf: „Kommen Sie doch näher!“ – In der Schweizer Redaktion wurde das einhellig als geschmacklos empfunden; das Bild wurde dennoch in das Buch aufgenommen, als Negativbeispiel. In Berlin kam diese Art Werbung zwar nicht durchweg, aber weitaus besser an. Ob dies nun an der Berliner Ruppigkeit oder größeren Offenheit für schwarzen Humor liegt: Gute Lektor:innen beachten auch kulturelle Unterschiede.

Lektorat Oliver Krull