16.05.2022. Für diesen Monat waren in einem früheren Beitrag (Zweimal Zukunft vom 16.05.2021) weitere Beispiele für den Futurgebrauch angekündigt. Ich habe diese auf August dieses Jahres verschoben, weil ich ungewöhnlich viele begeisterte Reaktionen zu meinem Aprilbeitrag Zersplitterte Zeit erhalten habe.
Einige haben meinen Beitrag als Anregung verstanden, den Blick einmal wieder auf ältere Literatur zu richten, in der „Sprache nicht so verflacht daherkommt“, in der man sich nicht so gescheut habe, lange Sätze zu bilden, in der Geschriebenes so handgemacht klinge wie die guten Songs aus den 1970er-Jahren.
Da ich vor allem Sach- und Fachtexte bearbeite, kann ich nicht beurteilen, ob die Literarizität der Prosa über die Jahrzehnte hin tatsächlich gelitten hat. Hier und da sehe ich Tendenzen der Vereinfachung, wie geringere Diskriminierung der grammatikalischen Zeiten oder die abnehmende Verwendung des Genitivs. Gleichwohl will ich nicht sagen, dass per se weniger treffende Aussagen geschrieben werden als früher. Im 19. und weitestgehend im 20. Jahrhundert waren Publikationen zumindest stärker in den Händen von Verlagen und Redaktionen, war Selfpublishing seltener. Auf der anderen Seite war das jeweilige Deutsch auch immer ein Spiegel seiner Zeit. Neben sinnfällig aufgebauten Satzperioden findet man vor 1900 auch stumpfe Aneinanderreihungen oder die heute in dem Maße nicht mehr übliche Inversion, die Satzverdrehung nach „und“. Ja, außerdem die noch nicht vereinheitlichte Rechtschreibung (erste einheitliche Regelung 1901). Es wurde tatsächlich Heimath geschrieben (dies wollte eine Leserin zu dem Buchauszug im Aprilbeitrag wissen), ebenso thun oder Egypter, Respect.
Sprache bleibt lebendig; jeder hat die Möglichkeit, etwas Überzeugendes daraus zu machen, und Lektor:innen an der Hand, für die Optimierung des Geschriebenen zu sorgen.
Lektorat Oliver Krull