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Gendern, 4. Teil

15.01.2021. Im Oktober habe ich über die Möglichkeiten von Schrägstrichen und Klammern geschrieben, beide Geschlechter kenntlich zu machen. Lösungen, die teilweise über die binäre Auffassung von Sexus hinausgehen, sind Binnen-I, Gender-Gap und Gendersternchen. Gerade in den letzten Monaten werden noch andere Alternativen genutzt, zum Beispiel der Doppelpunkt (Kandidat:innen), doch die drei voran genannten Mittel sind die bisher noch bekannteren. Ihnen ist gemein, dass sie ins Schriftbild eingreifen. Das Binnen-I (VerlegerInnen) beschränkt sich dabei jedoch wie Klammern und Schrägstriche auf die Geschlechter männlich und weiblich. Durch den Gap (mittels Unterstrich markiert: Verleger_innen) soll dagegen Raum für diverse Geschlechtskategorien gegeben werden; sie können auch durch ein Sternchen (= Asterisk: Verleger*innen) vertreten werden. Kritiker*innen finden gerade diesen Eingriff ins Schriftbild bedenklich.

Als Lektor werde ich oft um eine Einschätzung gebeten. Grundsätzlich rate ich, so lesbar wie möglich zu bleiben, zum einen den Text durch ständige Doppelnennungen nicht aufzublähen, zum anderen keine unaussprechbaren und/oder fragwürdigen Bezeichnungen einzubauen (die Verordnung d* Direktor*in). Bei eingefügten Zeichen schaue ich, ob sie an anderer Stelle des Textes eine andere Aufgabe erfüllen. Soll der Asterisk (*) in einem Dokument für Fußnoten genutzt werden, ist es ungeschickt, ihn auch fürs Gendern zu nehmen; gibt es Unterstreichungen, passt der Unterstrich als Gender-Gap nicht. Der Doppelpunkt (Lektor:innen) könnte eine Lösung sein, die am wenigstens zu Überschneidungen führt, da er kompress gesetzt (also ohne Leerzeichen weder vor noch nach ihm) sonst nur bei Uhrzeiten (18:30 Uhr) Verwendung findet.

Die eleganteste Lösung wird diejenige sein, die flexibel auf Zielgruppe, Satzbau, Grammatik und Wohlklang eingeht und neben einer Form des Genderns auch auf umschreibende Formulierungen zurückgreift. Hierüber werde ich in einem späteren Beitrag berichten.

Lektorat Oliver Krull