16.04.2024. Meine Aufforderung an Sie im vormonatlichen Blogbeitrag, mir Ihre Erfahrungen und Meinungen zu Verallgemeinerungen mitzuteilen, mir die Ihnen bekannten Signalwörter zu nennen, hat mir zahlreiche Nachrichten beschert – vielen Dank! Ich habe sie weitgehend sortiert.
Das wohl am häufigsten angeführte Wort ist „man“, vor allem in typischen Floskeln wie „man sollte …“, „man muss …“, „man darf …“, „das macht man nicht …“. Gefolgt von den Indefinitpronomina alle, niemand, keine:r, jede:r u. a. Durch eine bloß unbestimmte Mehrheit, Vielzahl oder Gesamtheit soll vermittelt werden, wie etwas oder jemand zu sein hat oder nicht. Oft gepaart werden solche Aussagen – gern auch in der politischen Auseinandersetzung – mit dem Hinweis: „Wir leben in einer Demokratie, einer Mehrheitsgesellschaft.“ Das möge so stimmen, wie eine Zusenderin bemerkte, werde aber viel zu wenig hinterfragt. Gerade in sozialen Medien, doch auch in klassischen Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen werden zum Teil reine Behauptungen durch Indefinitpronomina in den Stand von Gewissheiten gehoben.
„Jeder und jede will Frieden, und daher …“ Ist jeder, ist jede befragt worden? Wahrscheinlich nicht, und sicher auch unmöglich, wenn es sich um eine ganze Nation handelt, die als Unterschrift herhalten muss. Wird diese Nation durch statistische Darlegungen vertreten zum Beispiel mit Feststellungen wie „92 Prozent der Deutschen sind der Meinung, …“, wird meist nicht hervorgehoben, wie viele Personen befragt wurden; zu lesen, manchmal gut versteckt, sind Angaben zur Stichprobengröße wie „1.200 Personen“.
Die Deutungshoheit ist schnell am Start; der kritische Geist sollte es ebenso sein. Mit Blick auf den Frieden wird er wissen, dass es Menschen gibt, die vom Krieg leben, dass die Rüstungsindustrie prosperiert mit dem Ziel vor Augen, eine „kriegstüchtige“ Gesellschaft heranzubilden.
In meinem Juni-Beitrag werde ich den Mehrheitsbegriff noch einmal in den Blick nehmen.
Lektorat Oliver Krull